Doch die vollen Fässer im Rütihofkeller gehen uns kaum je aus dem Sinn. Die Leidenschaft für den Wein ist auch die Sorge um unser Gut. Immerhin, so lange es draussen kalt ist, bleibt Zeit für die Pendenzen auf dem Schreibtisch: Buchhaltung, Kommunikation und Weiterbildung. Und immer wieder Zeit für einen Gang in den Keller. An den ersten schneefreien Tagen beginnen wir mit dem Rebschnitt.
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Noch ist nicht die Hälfte der Reben geschnitten.
Die 25 000 Stöcke sind auch mit vier, sechs oder acht Händen nicht im Handumdrehen zu schaffen. Das braucht viel Zeit und kostet erst noch Ertrag. Dafür gewinnt, was übrig bleibt, an Saft und an Kraft. An gehaltvollen Weinen ist uns mehr als an der Anzahl der Flaschen gelegen.
In den Tanks im Keller ist der Weisswein unterdessen bereit zum Filtrieren. Und es ist auch Zeit, das Holz aus unserem Wald für den Ofen zu Hause zu spalten.
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Sobald die Sonne die Hänge erwärmt, beginnen die Reben zu ‹weinen›.
An den Schnittstellen der Triebe bilden sich Tropfen aus farblosem Saft – Tränen der Vorfreude auf die Ernte im Herbst. Während die ersten Frühjahrsblumen im Unterwuchs Farbtupfer setzen, ‹bögeln› wir die Fruchtruten und binden sie am Draht fest. Nicht zuletzt ist das abgeschnittene Rebholz zu häckseln, Trockenmauern auszubessern, Pfähle und alte Stöcke zu ersetzen und und und.
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Abfüllen und Neues gedeihen lassen. Nichts freut uns mehr, als wenn die Schössli an unseren Reben austreiben.
Von Tag zu Tag ein winziges, aber unübersehbares Stücklein. Und schon bald sind an frischen Trieben die kleinen Blütenknospen als ‹Gschii› zu erkennen. Das verdanken wir nicht zuletzt der Sonne, die nun bis in den Herbst über Mittag fast senkrecht auf die Südhänge strahlt. Ei, wie die Reben das lieben.
Ein mindestens so gutes Gefühl ist es, im Keller die ersten Weissweine des Vorjahrs abzufüllen. Am ersten Mai stehen alle Sorten zum Probieren bereit. Dafür heissen wir in der Rütihofschüür alle Gäste herzlich willkommen.
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An den warmen Tagen im Mai kann man fast zuschauen, wie die Reben wachsen.
Doch dafür haben wir nicht lange Zeit. Nun werden die Schosse erlesen. Diesen knipsen wir ab, jenen lassen wir stehen, um Wachstum und Ertrag zu steuern: Für einen guten Wein und einen kräftigen Rebstock im Kreislauf der Natur. In der Frühlingssonne ist das eine herrliche Arbeit!
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Die Reben wachsen uns fast um die Ohren. Die Zeit drängt.
Wir ‹fädeln› die Schosse zwischen die Drähte ein, damit sich ihre Ranken daran festhalten. Unter den Blättern wächst das Gschii zu deutlich erkennbaren Trauben heran. Gleich werden sie blühen. So kurz der Bluescht dauern mag, wir drücken uns die Daumen für warmes, trockenes Wetter. Das begünstigt die Befruchtung durch den Wind und kommt dem Wein zugute. Schneller wachsen jetzt nur die Gräser und Wiesenblumen im Unterwuchs – zum Vorteil der Nützlinge und zum Schutz des Bodens vor Erosion. An den steilen Hängen bewährt sich unser kleines Raupenfahrzeug als Kletterkünstler beim Mähen.
PS: Im Juni wollen unsere Streuwiesen gemäht sein im Ried, das wir vor Jahren im flachen Gelände angelegt haben. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Drei seltene Zugvogelarten nisten jedes Frühjahr auf dem Rütihofgelände. Neuntöter, Fitis und Zaunammer stehen auf der roten Liste gefährdeter Tierarten. Ihr Gesang erfreut uns den ganzen Sommer.
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Wieder und wieder legen wir an all den Reihen von Rebstöcken Hand an.
Um Seitentriebe zur Fotosynthese und Zuckerbildung zu fördern, ‹gipfeln› (beschneiden) wir die Fruchtruten mit der Rebschere auf zwei Meter Höhe. Dann heisst es ‹auslauben›: Wir schaffen Luft und Licht um jede einzelne Traube herum. Das fördert ihr Aroma und hält sie zum Schutz vor Krankheiten trocken. Und während wir am Behang die Aussicht auf den Ertrag und die Güte der Trauben einschätzen, erkennen wir in den Blattachseln bereits die ersten winzigen Triebe, die im folgenden Jahr austreiben werden.
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Die erbsengrossen Trauben beginnen wegen ihrem Gewicht zu hängen.
Nach dem Farbumschlag zu rot schneiden wir die noch Grünen heraus; bei weissen Trauben reduzieren wir jedes Schoss auf ein bis zwei Trauben. Beim Zweigelt entfernen wir an jeder Traube die Spitze. Je nach Jahr ist das mehr oder weniger. Wie viel genau, sagt uns die Erfahrung. Das Ziel bleibt jedoch immer das Gleiche: einen geringeren Ertrag für einen noch gehaltvolleren Wein.
Wenn bloss die Starenschwärme nicht wären! Jetzt aber, wenn uns die Ernte lieb ist, im Nu die Netze über die Hänge ausbreiten. Zum Schutz von Igel und Vögel lassen wir beim Spannen einen Durchschlupf zwischen Boden und Netz.
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Je kälter die Nächte, desto besser entwickeln sich die Aromen
– besonders, wenn die Sonne tagsüber die Hänge aufwärmt: in den Reben des Rütihofs oft noch bis spät in den Abend und in den Oktober hinein. Für unseren Wein sind das entscheidende Tage. Ein guter September kann uns fast alles bringen, was wir uns wünschen.
Doch was tun gegen die Drosophila Suzukii, die Kirschessigfliege? Seit einigen Jahren bedroht sie die Ernte kurz vor der Reife. Wir werden auch dieses Jahr wieder zittern.
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Auf fünf Hektaren Fläche gedeiht eine erstaunliche Menge an Trauben.
Rund 35 Tonnen wollen erst einmal gelesen sein. Je nach Wetter kann das bis zu vier Wochen dauern. Denn bei Regen geht bei uns gar nichts. Wir wollen ja nicht Wasser keltern! Unsere Wümmersleute lesen nicht nur die Trauben vom Stock, sondern auch die unerwünschten Beeren aus jeder einzelnen Traube. An Föhntagen ist das auf dem Rütihof eine wunderbare Arbeit: ein Rausch der Sinne, der Geselligkeit und des Überflusses in der Natur.
Am selben Abend kellern wir die Ernte ein: Wir erfassen Qualität und Menge jeder einzelnen Kiste und schütten sie zum Abbeeren und Quetschen in die Traubenmühle. Pro Tag können bis zu fünf Tonnen anfallen. Was Weisswein werden soll, pressen wir ab und klären den Saft. Den Roten maischen wir ein. Das heisst, wir lassen den Saft mitsamt den zerquetschten Häuten und Kernen vergären.
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Die Gärung der Maische dauert einige Tage.
Den Tresterhut – die obenauf schwimmenden Häute –stossen wir mindestens fünf Mal täglich von Hand unter. Ist der Wein im Fass, degustieren wir regelmässig, messen Alkoholgehalt und Säure und verfolgen die Entwicklung jedes einzelnen Weins.
Im geheizten Keller baut sich jetzt die starke Apfelsäure auf biologische Weise zu milderer Milchsäure ab. Und sollte ein Wein nicht genügend Säure abbauen, ‹impfen› wir ihn mit einigen Litern aus einem anderen Fass. Vor allem aber üben wir uns in Geduld. Wein zu keltern, heisst, ihn entstehen zu lassen. So bringen wir im Rütihof das Potenzial der Ernte zur besten Entfaltung. Der Duft im Keller lässt sich weder mit Bildern noch mit Worten beschreiben. Und jetzt, bevor es zu schneien beginnt, müssen die Rebnetze weg in die Rütihofschüür.
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Die jungen Weine verraten bereits ihre Anlagen.
Die Verwandlung des süssen Safts in jungen Wein ist jedes Mal ein kleines Wunder und sorgt immer wieder für Überraschungen. Was mögen Sie lieber – das Aroma der Eiche im alten Holzfass, das Röstaroma beim Barrique-Ausbau oder den Traubengeschmack, der sich nirgends so rein wie im Stahlfass entfaltet?
Im Weingut Rütihof geben wir jedem unserer Weine sein individuelles Gepräge. Wir freuen uns auf Ihren Besuch zu einer Kostprobe in der Rütihofschüür. So viel können wir jetzt schon sagen: Die Rütihofweine haben alle eigenständige Persönlichkeiten.